Ein Auslandsjahr in Kanada – glücklicher Beginn, abruptes Ende

Kanada wird von vielen als traumhaft und eine Art Paradies beschrieben, da die Natur dort einfach bezaubernd sein soll. Aber ob dies wirklich so ist und ob die Kanadier uns sehr fremde Traditionen haben? Um das herauszufinden, habe ich ein Interview mit einer Schülerin, Catharina Gryzinski, geführt, die für ein halbes Jahr in Kanada war. Sie musste ihre Reise leider aufgrund der Corona-Krise beenden, und sie erzählt uns, wie das für sie war und wie sie sich gefühlt hat.

„Ist Kanada wirklich so traumhaft, wie man es von allen gesagt bekommt?“
Catharina: „Ja! Kanada ist ein wunderschönes Land. Die Natur hat einfach etwas Magisches und total Unberührtes.“

„Fiel dir der Abschied von deiner Familie schwer? Hattest du Heimweh? Gab es Momente, wo du dir gewünscht hast, dass sie da gewesen wäre?“
Catharina: „Ich hatte eigentlich überhaupt kein Heimweh. Klar hat mir meine Familie an manchen Tagen, wie Geburtstag, Weihnachten und Silvester gefehlt, aber meine Gastfamilie hat so viel mit mir unternommen, sodass ich meine Sorgen ganz schnell wieder vergessen habe.“

Kajak-Ausflug mit meiner Gastfamilie

„Wie war deine Gastfamilie so? Fiel dir die Eingewöhnung in eine neue Kultur leicht?“
Catharina: „Das Eingewöhnen in die Gastfamilie war sehr einfach, da sie eine „Multi-Kulti“-Familie sind. Meine Gastschwester kam aus Tansania, wo meine Gastfamilie auch sieben Jahre gelebt hat, bzw. meine Gasteltern haben sie dort adoptiert und mit nach Kanada genommen. Außerdem haben sie noch zwei Söhne, einen chinesischen Gastschüler und den Cousin im Haus. Somit war immer viel los und alle offen für Neues. Die Kultur dort fand ich gar nicht allzu anders als hier. Es gab viele Gemeinsamkeiten – alles andere habe ich einfach schnell akzeptiert und mich über Veränderungen und Neues gefreut.“

„Sind dir bestimmte Traditionen aufgefallen?“
Catharina: „Eine sehr coole Tradition, die speziell meine Familie hat, ist der „Tansania-Day“. Meine Gastmutter hat sehr viel für Tansania typisches Essen vorbereitet und abends haben alle mit einer kleinen Gruppe aus der Kirche gefeiert und auf dem Boden und mit Händen gegessen.“

„Weihnachten ist ja eigentlich immer das Fest der Familie, wie war es für dich, das Fest ohne deine Familie in Deutschland zu feiern?“
Catharina: „Weihnachten war eine wirklich tolle Zeit! Da in meiner Familie so viele Personen waren, haben wir gewichtelt und jeder hat nur einer Person ein Geschenk gemacht. Außerdem waren wir am 24. abends in der Kirche beim Gottesdienst und haben dann erst am 25. die Geschenke geöffnet. Diese lagen aber schon seit Anfang Dezember unter dem Baum. Wie schon erwähnt, war es anfangs komisch ohne meine Familie, aber ich bin über die Winterferien viel draußen gewesen und Snowboard gefahren. Es blieb also wenig Zeit, Deutschland zu vermissen, da es dort so viele tolle Sachen zu erleben gab.“

„Wie war die Schule in Kanada? Musstest du Schuluniformen tragen?“
Catharina: „Eine Schuluniform gab es nicht, generell gab es keine wirkliche Kleiderordnung. Es war quasi normal, in Jogginghose, alten T-Shirts und Crocs zur Schule zu kommen, wenn ihr mich fragt, sehr bequem und empfehlenswert. Der Schulalltag war sehr entspannt. Um 9:10 Uhr begannen die ersten beiden Stunden, dann Lunch um 12 Uhr und danach die letzten beiden Stunden. Schluss war dann immer um 15:25 Uhr. Danach stand für mich noch Rugby und Leichtathletik Training an. Außerdem hatten wir pro Semester nur 4 Kurse und konnten uns somit viel besser auf den Stoff konzentrieren und auch verstehen. Mir fiel das deutlich leichter, dafür ist das Niveau aber auch viel niedriger.“

„Welche Fächer haben dir am meisten Spaß gemacht?“
Catharina: „Am meisten Spaß haben mir Kunst, Sport und Mathe gemacht. Die Lehrer waren einfach klasse und haben sich individuell mit den Schülern und ihren Problemen auseinandergesetzt.“

„Was hast du so in deiner Freizeit gemacht?“
Catharina: „In meiner Freizeit war ich im Herbst noch viel mit meiner Familie unterwegs. Wir haben einen Trip zum Surfen an die Westküste gemacht und sind Bären suchen gewesen, die wir letztendlich auch gesehen haben, und die mir ein wenig zu nahe waren ; ). Im Winter war ich dann so gut wie jede freie Minute auf dem Berg und bin mit meinen Gastgeschwistern oder Freunden Ski gefahren. Ab Januar haben dann die Rugby und Leichtathletik Trainings angefangen.“

„Wie war es für dich, als du auf einmal wieder zurück musstest? Wie ist das überhaupt abgelaufen?“
Catharina: „Als die Nachricht kam, dass ich zurück muss, war ich geschockt und auch meiner Gastfamilie fiel es alles andere als leicht. Meine Gastschwester, die mir besonders nahe stand, hat sehr viel Zeit mit mir verbracht. Wir sind nochmal alle schönen Plätze abgefahren und haben ein paar wunderschöne Sonnenuntergänge angeschaut. Dienstag, den 17.03, haben meine Eltern den Flug für Freitagmorgen gebucht. Somit konnte ich noch ein paar meiner Freunde „Aufwiedersehen“ sagen. Am Flughafen in Vancouver habe ich dann auch eingesehen, dass ich nicht die einzige betroffene Person bin, die ihr Auslandsjahr abbrechen musste.“

Pommes mit Käse und pulled pork – Poutine.

Was ist das typische kanadische Gericht?“
Catharina: „Kanadier essen alles mit Käse! Unter anderem auch Pommes mit Käsesauce, Poutine. Am besten schmeckt das auch noch mit Pulled pork.“

„War es für dich schwer, dich wieder in Deutschland nach einem so plötzlichen Ende einzuleben? Wer hat dir in dieser Situation geholfen?“
Catharina: „Da sich in Deutschland nicht allzu viel verändert hat, kam ich damit recht gut klar. Geholfen hat mir aber vor allem, sobald meine 14 Tage Quarantäne vorbei waren, mich mit Freunden auf Abstand (!!!) zu treffen und mich auszutauschen.“

„Wie hat dir das Auslandsjahr gefallen? Würdest du es weiterempfehlen?“
Catharina: „Ein Auslandsjahr machen zu können, war für mich ein unfassbar tolles Erlebnis. Man bekommt im Leben selten die Chance, so einfach und rasch ins Leben einer anderen Familie integriert zu werden. Außerdem schließt man schnell viele tolle Freundschaften, die einen hoffentlich noch sehr lange begleiten werden.“

„Was vermisst du momentan, was fehlt dir, was du in Deutschland vielleicht nicht hast?“
Catharina: „Momentan fehlen mir meine Freunde sehr, insbesondere die, von denen ich mich nicht verabschieden konnte. Anders als in Deutschland, ist Vancouver Island auch sehr viel naturnäher, d.h. man kann vom Strand die Berge sehen und Stunden lang durch unendlich große Wälder laufen.“

„Würdest du wieder nach Kanada reisen? Könntest du dir sogar vorstellen, dort zu leben?“
Catharina: „Da mich die Umgebung und Gesellschaft dort so glücklich gemacht haben, gehe ich jetzt schon stark davon aus, dass ich nach dem Abitur fürs Studium (sofern es finanziell möglich ist) nach Kanada ziehen werde. Wie es danach weiter gehen soll, weiß ich natürlich noch nicht, aber dort zu bleiben, wäre definitiv eine Möglichkeit.“

Lieben Dank an Catharina, dass sie sich die Zeit genommen hat, uns Einblicke in ihre Erlebnisse zu verschaffen.

Interview geführt von Sabrina Arnold.