Eine Schülerin erinnert sich an ihr Schulhalbjahr in China

Die Schülerin Stella Wontschik (Klasse E) ist im August 2019 nach China geflogen und war bis zum 07.01.2020 dort in einer Schule in Weifang, in der Provinz Shandong. Dann hat sie ein paar Tage in Qingdao verbracht, bis sie wieder – vorzeitig wegen der Ausbreitung des Corona-Virus – zurück nach Deutschland musste. In einem Interview schildert sie ihre Erfahrungen und erinnert sich an einen ganz normalen Schulalltag mit viel sportlichem Einsatz.

Du bist früher als geplant abgereist… .
Ich bin früher abgereist, weil die Situation sich mit dem Virus dort verschlimmert hat und ich mich unwohl gefühlt habe, da keine Restaurants und keine Läden mehr auf hatten, außer nur größere Supermärkte. Sogar als ich für ein paar Tage in Peking war, standen alle Straßen leer, als wenn man sich in einer Geisterstadt befunden hat. Hinzu kommt, dass die Schulen auch geschlossen waren, deshalb war es so sehr ungünstig, dort zu bleiben, weil ich unter anderem nach China geflogen bin, um Tischtennis zu spielen und so dann auch die Sporthallen geschlossen waren. Deswegen haben wir uns dann entschieden, den Austausch abzubrechen.

Warum hattest du deinen China-Aufenthalt ganz ohne Unterstützung durch eine Organisation geplant?
Ich wollte nach China und hatte die Bedingung, dass ich dort Tischtennis spielen möchte, da China auch ein Land ist, in dem viel Tischtennis gespielt wird. Jedoch konnte ich nicht einfach so in eine Gastfamilie gehen und deshalb bin ich dann auf ein Internat gegangen, wo ich dann auch Tischtennis spielen konnte. Die Organisationen, die solche Austausche planen, bieten dies nur in großen Städten an und dementsprechend würde der Austausch auch teurer sein. Außerdem haben die Organisationen auch nicht meine Bedingung mit Schule und Tischtennis erfüllen können. So blieb uns nur die Möglichkeit, den Austausch selbst zu planen.

Wie läuft so eine Planung eines Auslandsaufenthaltes ab? Muss man auf etwas Besonderes achtgeben?
So eine Planung findet auch ungefähr wie über eine Organisation statt, jedoch muss man diese dann selbst planen. Es ist wichtig, dass man eine Krankenversicherung hat, denn, wenn einem dort irgendetwas passiert, ist es sehr ungünstig und kann auch teuer werden. Außerdem haben wir eine Karte besorgen müssen, mit der ich dann Geld abheben konnte, was aber sehr schwer war, denn man kann in China nicht mit irgendwelchen Karten bezahlen, sondern benötigt eine extra Karte. Wenn man so wie ich keine Gastfamilie hatte, brauchte man eine Vertrauensperson, die für dich verantwortlich ist, wenn etwas passiert. Solche Personen kann man nicht einfach so finden, denn sie sind fast wie ein Elternteil für einen verantwortlich. Aber man benötigt auch ein Visum, wenn man sich in China länger Aufenthalten möchte.

Du warst also nicht in einer Gastfamilie, hast du Verwandte in China?
Ich war nicht in einer Gastfamilie, sondern war auf einem Internat, das heißt, dass die Leute dort wie meine Familie waren. Wir hatten mehrere Wohnungen in einem mehrstöckigen Haus, sodass wir insgesamt vier Stockwerke hatten. Jede Wohnung ist für zwei Personen gedacht und dazu hatte jedes Stockwerk einen Waschraum mit zwei Waschbecken & einer Toilette, den wir uns zu acht geteilt haben. Von klein bis groß, waren alle Altersgruppen vorhanden, sodass man wirklich alles zusammen gemacht hat und dann auch zusammengewachsen ist. So wurde ich auch gut in die Gemeinschaft aufgenommen. Ich habe viele neue Freunde kennengelernt, welche mir auch sehr, sehr wichtig geworden sind. Ich hatte auch beste Freunde, aber trotzdem sind alle nett und hilfsbereit. Wirklich viele Verwandte habe ich nicht mehr in China, nur mein Opa wohnt noch in China, während meine Oma nach Amerika gezogen ist.

Hattest du Schwierigkeiten mit der Sprache? Gab es große Verständigungsproblem?
Am Anfang hatte ich schon ein paar Schwierigkeiten, ich konnte zwar alles verstehen, hatte aber eher einen passiven Wortschatz, sodass ich mich nicht so gut verständigen konnte. Zum Ende hin ist es viel besser geworden und ich konnte mich quasi mühelos mit den Leuten dort unterhalten. Klar ist es immer noch etwas „anstrengend“, aber wirkliche Probleme hatte ich nicht. Es gibt Themen, wie den Alltag, Sport oder ähnliches, bei denen man die Vokabeln hat, aber wenn man über spezifische Themen, wie z.B. den Umweltschutz spricht, fehlen dort einfach die Vokabeln, um sich zu verständigen. Wie gesagt, es kommt immer auf die Themen an, aber im Großen und Ganzen hat alles gut funktioniert.

Hat sich dein Chinesisch durch den Auslandsaufenthalt verbessert?
Ja, auf jeden Fall, als ich dort hingegangen bin, konnte ich so ziemlich alles verstehen, aber selbst kaum reden. Im Laufe der Zeit hat sich dies aber geändert. Sowohl das Lesen als auch das Schreiben haben sich ebenfalls verbessert. Da die Themen in den Fächern Chemie und Physik ganz anders waren und vor allem andere Vokabeln benutzt worden sind, bin ich nicht wirklich mitgekommen, da ich auch einfache Dinge von den Begrifflichkeiten nicht verstanden habe. Deshalb habe ich in der Zeit chinesische Zeichen lesen und schreiben gelernt. So hat sich auch mein Chinesisch, was die Zeichen anbelangt, verbessert.

Was für eine Schule hast du besucht?
Ich war auf einer Sportschule, deren Schwerpunkte bei Fußball und Tischtennis lagen. Auf meiner Schule waren ungefähr 1000 SchülerInnen, davon aber vielleicht nur 20 Mädchen. Insgesamt war der Anteil an Fußball auch viel größer, als an Personen, die Tischtennis spielten. Es war schön, einen großen Anteil an Fußball zu haben, da man so auch nicht nur Tischtennis im Kopf hatte. Die Schule war insgesamt wie eine kleine Stadt aufgebaut. Auf dem Gelände gab es unter anderem einen Friseur, einen kleinen Laden, ein Restaurant und einen See gab es tatsächlich auch. Zusätzlich gab es 40 Fußballfelder, was auch zeigt, wie groß die Fläche des Geländes war.

Wie sah dein Schulalltag aus? Welche Unterschiede gibt es zu deutschen Schulen?
Mein Schulalltag fing morgens um 5 Uhr an! Wir sind aufgestanden, haben uns fertig gemacht, mussten dann die Wohnung sauber machen und den Müll rausbringen. Anschließend gab es eine halbe Stunde lang Morgensport, nach dem Sport sind wir dann zum Frühstück gegangen. Die Schule hat um 7.40 Uhr angefangen und ging bis ca. 13 Uhr, also nicht so lange, aber dafür gab es keine Pausen. Nach der Schule sind wir zum Mittagessen gegangen, danach hatten wir eine Stunde Freizeit, in der wir in die Wohnung gegangen sind und Hausaufgaben machen konnten. Direkt danach ging es aber wieder in die Halle zum Training, welches auch 3.5 Stunden ging. Am Montag, Mittwoch und Freitag hatten wir nach dem Abendessen wieder Training. Dienstags & donnerstags sind wir dann abends nochmal für zwei Stunden zur Schule gegangen. Am Samstag begann die Schule erst am Nachmittag und abends hatten wir Freizeit. Am Sonntag hatten wir vormittags Training und nachmittags auch wieder Freizeit. In China wurde Handynutzung auch etwas anders gehandhabt, dort haben die SchülerInnen ihre Handys in der Woche nicht, man bekommt diese nur am Samstag für etwa drei Stunden, und am Sonntag haben wir es nach dem Training bekommen.

Ein weiterer Unterschied war auch, dass wir fast keine Freizeit in der Woche hatten, bis auf die eine Stunde nach dem Mittagsessen, zudem kamen wir auch erst gegen 21 Uhr in unsere Wohnung zurück. Die Unterrichtsweise ist mir in China auch noch aufgefallen, während wir hier in Deutschland ziemlich viel im Unterricht mitschreiben, hört man dem Lehrer in China mehr zu. Fast jeder Unterricht bestand aus Power Point Präsentationen, welche die Lehrer uns vorgestellt hatten. Ich persönlich muss auch sagen, dass mich das am Anfang ein bisschen verwirrt hat, weil ich gewohnt war, alles mitzuschreiben und hinterher nochmal anzuschauen.
Bewundert habe ich zudem auch das Verhältnis zwischen den Lehrern & SchülerInnen, da die Lehrer fast wie Eltern für die dort sind, weil einige SchülerInnen auch einige Jahre auf das Internat gehen. Die SchülerInnen haben sehr oft mit den Lehrern herumgescherzt und auch über private und ernster Dinge besprochen. Der Anblick der Schule hat sich zu unseren deutschen Schulen unterschieden, denn in China hatten wir zwar einen recht großen Klassenraum, aber waren eine kleine Klasse. Da in meinem Jahrgang nur wenige Tischtennis gespielt hatten, waren wir eine Klasse mit nur acht Personen.  Der Unterricht verlief deswegen auch ziemlich entspannt, so wurde man auch öfter dran genommen, aber hat auch gut zugehören können. Eine Erfahrung mit einer so kleinen Klasse gemacht zu haben, hat mir auch gefallen.“

Warst du die einzige Austauschschülerin an deiner Schule, oder gab es noch andere?
„Ich war die einzige und auch die erste Austauschschülerin, die bisher da war. Aber es waren auch Gruppen aus anderen Ländern an der Schule, die dort Turniere gespielt haben. Zwar hatte die Schule zum Teil Erfahrung mit diesen Gruppen gemacht, jedoch wussten sie nicht genau, wie man das mit Austauschschülern macht, die sich über längere Zeit dort aufhalten.“

Hast du Freundschaften geschlossen?
„Ja, auf jeden Fall, besonders mit den Schülern in meinem Alter. Vor allem habe ich sehr viel Zeit mit den Leuten dort verbracht und so haben wir uns dementsprechend auch gut verstanden. Durch die Kultur ist das Verhalten und Denken der Leute dort anders, sodass ich anfangs etwas Schwierigkeiten hatte, mich dort wiederzufinden.
Mit einem Mädchen habe ich mich so gut verstanden, dass ich über die Ferien zum Neuen Jahr zu ihr nach Hause gefahren bin und dort auch für eineinhalb Wochen geblieben bin. Bei ihr hatte ich auch eine schöne Zeit und die Familie war auch sehr nett. Ich hoffe, dass die Freundschaften, die ich jetzt geschlossen habe, bestehen bleiben.“

 Deine schönste Erfahrung, die du in China gemacht hast?
„Ich kann nicht wirklich sagen, dass ich nur eine schöne Erfahrung gemacht habe. Alles, was ich in diese Zeit erlebt habe, war eine schöne Erfahrung. Sowohl die neuen Freundschaften als auch die neuen Eindrücke, welche ich in der Schule sammeln konnte, waren eine großartige Erfahrung. Es war auch ein neues Erlebnis gewesen, allein mit dem Flugzeug zu fliegen. Ich muss aber auch sagen, dass es recht kompliziert ist, in China mit der Bahn zu fahren, aber das Gefühl, welches man dann hat, wenn man es geschafft hat und angekommen ist, ist ein sehr schönes. Ich bin auch von dem Internat allein nach Qingdao gezogen und habe quasi den Umzug allein organisiert und auch die Tickets dorthin allein gekauft. Das war auch eine große Erfahrung für mich, denn normalerweise macht man das nicht allein.“

 Hattest du Heimweh?
„Schon zu Anfang ist mir der Abschied zu meinen Freunden am Flughafen schwergefallen. Meine Mutter ist dann mit mir zusammen nach China geflogen und hat dort auch vier Tage mit mir verbracht, als sie dann aber wieder zurück nach Deutschland geflogen ist, hatte ich ein paar Tage danach schon starkes Heimweh. Außerdem hatte ich an Weihnachten Heimweh, weil ich meine Familie nicht um mich herum hatte. Durch die Zeitverschiebung bestand auch nicht immer die Möglichkeit, kurz zuhause anzurufen. Man kann nicht wirklich gegen das Heimweh ankämpfen. Natürlich habe ich dementsprechend auch meine Freunde vermisst, weil der Tag im Internat ganz anders vergeht als zuhause. Trotzdem habe ich mich gefreut, ins Ausland zu gehen & neue Erfahrungen zu sammeln. Ich habe die Zeit sehr genossen und probiert, das Beste daraus zu machen.“

Musstest du Schuluniform tragen?
„In gewisser Weise musste ich eine Schuluniform tragen. Da wir schon vor der Schule Sport gemacht haben, hatten wir den ganzen Tag über unsere Sportklamotten an. Zwar konnten wir diese in unserer Freizeit wechseln, jedoch hatten wir nur am Wochenende etwas mehr Freizeit. Klar hatten wir ab und zu unsere normalen Klamotten an, aber es war dort fast gang und gäbe, dass man in den Sportklamotten rumläuft. Und natürlich ist es dann auch angenehmer, wenn man mit einer Jogginghose rumlaufen kann, anstatt in einer Jeans. Deshalb hatten wir keine richtige Schuluniform an, aber zum Teil schon, da die Schule es so wollte, weil ab und zu Bilder gemacht worden sind, die dann auf die Homepage gestellt wurden. Teilweise kamen auch andere Trainingsgruppen, die bei unseren Spielen zugeguckt haben. So machte die Schule auch einen besseren Eindruck.“

 

Das Interview führte Karina Wagner.