Emma hat leider nur für zwei Monate in Tsawwassen – einem kleinen Vorort von Vancouver (Kanada) – in einer Gastfamilie gelebt, da sie durch die aktuelle Corona-Pandemie gezwungen war, zurück nach Hause zu kommen. Dennoch hat sie der Auslandsaufenthalt sehr bereichert und sie hat viele positive Eindrücke mitgebracht.
Vielen Dank an Emma aus der Ea des Gymnasiums Glinde, die sich bereiterklärt hat, dieses Interview über ihren Auslandsaufenthalt mit mir zu führen.
Wie lange wolltest du in Tsawwassen bleiben?
„Geplant war, dort fünf Monate zu verbringen, um mein Englisch zu verbessern.“
Mit welcher Organisation warst du dort?
„Meine Organisation hieß ‚Kanadaplus’.“
Wie war dein täglicher Schulweg?
„Ich habe in einem Haus ziemlich im Zentrum von Tsawwassen gelebt und bin jeden Tag 15 Minuten zu Fuß zur Schule gegangen.“
Sind dir viele Unterschiede zwischen deutschen und kanadischen Schulen aufgefallen?
„Mir sind sehr viele Unterschiede zwischen den Schulen aufgefallen. In Kanada und insgesamt Nordamerika ist das Schulsystem nämlich komplett anders. Zum einen gibt es ganz andere Fächer als hier, wie z.B. Drama, Food Studies, Business, Music Theatre, Woodwork, Mechanics, Fashion etc. Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass der Schwerpunkt eher auf dem Kreativen als auf dem Akademischen lag. Ein weiterer Unterschied war, dass die Schulen sehr modern sind und viel mit Laptops und insgesamt sehr viel online arbeiten.“
Gab es große Verständnisprobleme?
„Verständnisprobleme hatte ich eigentlich gar nicht; ich kam mit meinem Englisch ziemlich gut klar“
Hast du dich zwischendurch alleingelassen gefühlt?
„Ich habe mich nie wirklich alleine gelassen gefühlt. Klar, ich hatte am Anfang ziemlich großes Heimweh, aber meine Organisation und vor allem auch meine Gastmutter haben mich immer unterstützt und versucht, mich abzulenken!“
Hast du Freundschaften geschlossen, zu denen du eventuell noch Kontakt hast?
„Ich habe so viel tolle Menschen kennengelernt! Ich habe mehrere Kanadier kennengelernt, mit denen ich immer noch in Kontakt stehe (eine Freundin besucht mich nächstes Jahr vielleicht sogar) und natürlich meine Gastfamilie, mit der ich hin und wieder immer noch E-Mails austausche! Außerdem habe ich sehr viele ‚Internationals’ kennengelernt, sogar manche Deutsche, mit denen ich mich sehr gut verstanden habe.“
Was vermisst du an Kanada am meisten?
„Ich glaube, ich vermisse am meisten, dass Kanada so ein freundliches Land ist. Die Menschen dort sind wirklich sehr lieb und offen; das ist wirklich toll! Außerdem vermisse ich die ganzen Möglichkeiten, sich zu beschäftigen. Viele Dinge sind in Kanada viel einfacher umzusetzen, Fitnessstudios sind z.B. kostenlos für Schüler und auch die Schulmannschaften waren ein sehr guter Zeitvertreib“
Deiner Meinung nach der größte Vorteil und Nachteil, dort gewesen zu sein?
„Ich glaube, der größte Vorteil meines Aufenthalts in Kanada war, dass ich so viele neue Erfahrungen machen durfte! Ich habe z.B. gelernt „allein“ klarzukommen, ich durfte so viele verschiedene Menschen kennenlernen und vor allem hatte ich die Möglichkeit, mir Vancouver anzugucken! Nachteile gibt es meiner Meinung keine.“
Wie hast du erfahren, dass du nach Hause musstest und wie hast du dich dabei gefühlt?
„Die Nachricht, dass ich nach Hause muss, kam ziemlich kurzfristig. In Kanada waren zu diesem Zeitpunkt Ferien und es stand noch gar nicht fest, ob die Schulen nach den Ferien wieder öffnen würden. Ich weiß noch, dass es zu dem Zeitpunkt schon sehr kritisch war mit Treffen etc. und dadurch ging’s mir auch nicht ganz so gut, deshalb habe ich zu der Zeit auch täglich mit meiner Familie telefoniert. Und dann ganz plötzlich hieß es eines Morgens: „Emma, dein Flug ist gebucht, du fliegst in zwei Tagen nach Hause“. Ich muss zugeben, ich war ein kleines bisschen erleichtert, dass meine Eltern und meine Organisation mir diese Entscheidung abgenommen haben. Ich glaube auch jetzt im Nachhinein, dass es das Beste war. Es ist dann nämlich doch angenehmer, mit seiner eigenen Familie in Quarantäne zu sein, als mit seiner Gastfamilie. Vor allem, weil meine Gastfamilie zwei Kleinkinder hat, die mir nach mehreren Wochen garantiert die Nerven geraubt hätten!“
Gab es insgesamt Komplikationen durch Corona?
„Also die größte Komplikation durch Corona war der Rückflug nach Hamburg, aber auch schon vorher gab es in Kanada einige Einschränkungen: Die Geschäfte, Fitnessstudios etc. wurden geschlossen. Man durfte sich nur noch wenig treffen und musste überall darauf achten, so wenig Kontakt wie möglich mit anderen Menschen zu haben.“
Wirst du deinen Auslandsaufenthalt nachholen bzw. weiterführen? Und würdest du dieselbe Organisation nehmen und auch wieder nach Kanada gehen?
„Leider werde ich meinen Auslandsaufenthalt nicht nachholen, zumindest nicht in der Schulzeit. Würde ich die Möglichkeit haben, würde ich auf jeden Fall mit derselben Organisation gehen, da diese sehr familiär war und sie sich wirklich oft nach mir erkundigt hat. Ich bin mir nur nicht so sicher, ob ich dann wieder nach Kanada gehen würde, gar nicht, weil mir Kanada nicht gefallen hat (Kanada war einfach nur toll, liebe Menschen, schöne Natur und alles), sondern weil es einfach wirklich viele deutsche ‚Internationals’ in meinem Distrikt gab und ich so halt auch sehr viel Deutsch geredet habe.“
Wie hast du dich bezüglich des unerwarteten Rückflugs gefühlt?
„Die ersten Wochen, als ich wieder in Deutschland war, war ich sehr traurig und vielleicht sogar ein bisschen deprimiert und auch frustriert. Ich hatte mir das alles natürlich total anders vorgestellt und vor allem hatte ich mich zu dem Zeitpunkt, als ich gehen musste, gerade so richtig eingelebt! Ich glaube einfach, dass ich noch so eine schöne Zeit dort gehabt hätte. Ich werde auf jeden Fall irgendwann nach Vancouver zurückkehren, auch wenn es erst nach dem Abi sein wird“
War dein Abschied sehr kurz?
„Der Abschied war sehr kurzfristig und dementsprechend hatte ich auch keine Zeit, mich bei all meinen Freunden/Bekannten zu verabschieden.“
Wie haben deine Freunde und deine Gastfamilie darauf reagiert?
„Meine Gastmutter hat sehr niedlich reagiert und hat beim Abschied sogar geweint. Sie hatte aber, glaube ich, schon damit gerechnet, dass ich zurückfliegen werde, deshalb war sie nicht ganz so überrascht und meine engste Freundin dort war sehr süß und lieb und hat mit mir die letzten Tage noch ganz viel unternommen!“
Annabel Baesel