Die Woche der Meinungsfreiheit – sinnvoll oder überflüssig?

Meinungsfreiheit bedeutet, seine persönliche Meinung äußern zu dürfen. Auch die Pressefreiheit ist gekoppelt an Meinungsfreiheit. „Jeder Rechtsstaat, der die individuellen Freiheiten, insbesondere die Meinungs-, Gewissens- und Ausdrucksfreiheit achtet, stützt sich auf eine freie, unabhängige Presse, die vor Zensur oder Zwang geschützt ist“, so die UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay. Um Meinungsvielfalt zu schützen und die aktuelle Diskussionskultur aufrecht zu erhalten, hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vom 3. – 10. Mai der Meinungsfreiheit eine Themenwoche gewidmet.
Mehr als drei Viertel der Angriffe auf Journalist:innen fanden auf oder am Rande von Demonstrationen statt.

In Deutschland ist die Meinungsfreiheit als Grundrecht in der Verfassung, dem „Grundgesetz“ von 1949, verankert, und auf der Rangliste der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) wurde die Pressefreiheit hierzulande immer als sehr gut bewertet. Tatsächlich haben auch die meisten Menschen in Deutschland das Gefühl, dass sie ihre Meinung frei äußern dürfen

Es gibt aber auch Gegenstimmen, die diese Ansicht nicht teilen. 2020 ist die Lage der Pressefreiheit in Deutschland auf der Rangliste der ROG herabgestuft worden auf nur noch „zufriedenstellend“- das hat auch damit zu tun, dass es in letzter Zeit viele Angriffe auf Journalist:innen gegeben hat.

Zum einen ist es Aufgabe des Staates, die Meinungsfreiheit zu schützen, zum anderen gilt die Meinungsfreiheit aber auch zwischen den Menschen untereinander. Um die Meinungsfreiheit zu schützen und daran zu appellieren, tolerant gegenüber Andersdenkenden zu bleiben, hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Woche der Meinungsfreiheit (vom 3. – 10. Mai 2021) ins Leben gerufen, in der er auf die „Bedeutung der Meinungsfreiheit für eine freie, demokratische und vielfältige Gesellschaft“ aufmerksam machen will. Sie begann am Internationalen Tag der Pressefreiheit, der jährlich an die grundlegende Bedeutung freier Berichterstattung für Demokratien sowie an Verletzungen der Pressefreiheit erinnert. Im Rahmen dieser Themenwoche hat der Börsenverein eine „Charta der Meinungsfreiheit“ entworfen, die die aktuelle Diskussionskultur verbessern und festigen soll.

Charta der Meinungsfreiheit
Pressefreiheit ist das von der Verfassung garantierte Grundrecht der Presse, Informationen zu beschaffen und zu verbreiten.

Die Charta besteht aus insgesamt elf Punkten. Unter anderem beschreibt sie die Meinungsfreiheit als ein universelles Menschenrecht und betont, dass sie den Menschen das Recht auf Informationen, Pressefreiheit, Freiheit des Publizierens und der Berichterstattung sichern soll. Außerdem wird definiert, dass Meinungsfreiheit da aufhört, wo andere Menschen angefeindet werden. Das heißt, in einem Rechtsstaat hat Meinungsfreiheit auch gewisse Grenzen, die sowohl im Grundgesetz als auch in den internationalen Menschenrechtsdokumenten ausdrücklich genannt werden (mehr Infos hier).

Die Charta ist online zu unterschreiben und soll als freiwillige Unterstützung dienen, indem man sich, wenn man möchte, an ihre Grundsätze hält, um die Debattenkultur besser zu gestalten. Denn auch wenn viele die Meinungsfreiheit in Deutschland nicht bedroht sehen, ist sie nicht selbstverständlich. Es muss etwas dafür getan werden, dass sie bestehen bleibt.

Artikel 1 vs. Artikel 5 des Grundgesetzes

In Deutschland ist die Meinungsfreiheit über Artikel 5 des Grundgesetzes deutlich geregelt: Jede Person darf in Deutschland ihre Meinung frei sagen oder schreiben – ohne dass Zensur droht. Wie auch in der Charta betont, gibt es aber auch gewisse Grenzen. Denn wie in Artikel 1 des Grundgesetzes steht, ist die Würde des Menschen unantastbar. Diese beiden Artikel müssen also immer gegeneinander abgewogen werden, denn Diskriminierung ist keine Meinung.

In anderen Ländern ist Meinungsfreiheit aber leider nicht selbstverständlich. Es gibt zahlreiche Länder, in denen die Menschen keine Meinungsfreiheit haben. Dort werden viele Menschen aufgrund ihrer Ansichten verfolgt, inhaftiert und/oder ermordet. Laut Reporter ohne Grenzen verstärkte die Corona-Pandemie weltweit repressive Tendenzen. Noch nie seit Einführung der aktuellen Methodik im Jahr 2013 gab es so wenige Länder, in denen ROG die Lage der Pressefreiheit als „gut“ bewertete (vgl. hier).

Eingeschränkte Meinungsfreiheit?

Auch in Deutschland haben einige Menschen das Gefühl, sie könnten ihre Meinung nicht frei äußern. Vor allem im Internet treten vermehrt Hass und Hetze auf.

Manche Menschen haben auch das Gefühl, dass sie im Vergleich zu früher nichts mehr sagen dürften, weil sie heutzutage dafür ausgebuht würden. Wenn sie zum Beispiel etwas Rassistisches sagen und jemand sie darauf aufmerksam macht, dass das nicht in Ordnung ist, dann heißt es, dass es früher doch auch okay gewesen sei. Nur dass bei dieser Logik vergessen wird, dass es früher eben auch schon nicht korrekt gewesen ist – es wurde nur weder thematisiert noch problematisiert.

Die Videoaktion #allesdichtmachen gegen die Corona-Politik ist auf viel Gegenwind gestoßen. Im Zusammenhang damit haben einige der Schauspieler:innen, die dabei mitgemacht haben, gemeint, sie würden in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt werden, weil sie auf so viel Kritik gestoßen sind. Wenn wir in Deutschland aber keine Meinungsfreiheit hätten, dann hätten die Videos gar nicht erst veröffentlicht werden dürfen.

In dem Textgenre „Meinung“ oder „Kommentar“ können Journalist:innen ihre Meinungen veröffentlichen.

Andere haben auch den Eindruck, dass die Medien ihnen eine Meinung aufzwingen wollen. Wenn Journalist:innen ihre Meinung in einem Text darlegen, ist das legitim, wenn es sich um die entsprechende Form der Berichterstattung handelt. Es soll zum Beispiel in einem Kommentar neben den eigentlichen Fakten auch eine Bewertung bzw. persönliche Einordnung geben. Trotzdem sollen im Journalismus Meinungen und Fakten voneinander getrennt werden. In einer Meldung oder Nachricht hat die persönliche Meinung des Berichtenden nichts zu suchen. Die Meinung in z.B. einem Kommentar ist aber nicht dazu da, dass sie den Menschen aufgedrückt werden soll, sondern sie soll dazu anregen, sich selbst eine Meinung zu bilden.

Abschließend denke ich, dass je mehr Menschen die Charta unterschreiben würden, desto mehr Ansehen würde sie sicherlich bekommen. Das wäre gut, da sie eine sehr gute Absicht verfolgt. Viel wichtiger, als sie zu unterschreiben, ist aber dennoch, sich an sie zu halten und ihre „Tipps“ zu befolgen.

Zusätzliche sehr interessante Hintergrundinfos zum Welttag der Pressefreiheit und dessen diesjährigen Schwerpunkten liefert die Bundeszentrale für politische Bildung

 

Katharina Blonsky