Soziale Medien haben gerade in Zeiten einer Pandemie mit Lockdowns und Kontaktbeschränkungen an Bedeutung gewonnen – sie bieten eine Plattform, um Beziehungen und Kontakte zu pflegen, Gedanken zu teilen, sich zu informieren und auszutauschen. Sie geraten aber auch immer wieder in die Kritik, etwa wenn sich Fake News und Hassbotschaften über die Plattformen verbreiten. Facebook, Twitter, Tik Tok, Instagram und andere soziale Netzwerke sind längst mehr als nur eine digitale Nische Jugendlicher, sie haben sich inzwischen zum Beispiel auch als wichtige Recherche- und Marketinginstrumente in der Arbeitswelt etabliert und besitzen viel kommunikatives, kreatives Potenzial. Dabei bürgen sie sowohl Risiken als auch Chancen.
Gerade für junge Menschen gehören der tägliche Griff zum Smartphone und der Austausch von Meinungen und Neuigkeiten über Social Media zur täglichen Routine. Es liegen gerade die Ergebnisse der interessanten Studie #UseTheNews vor, durchgeführt vom Leibniz-Institut für Medienforschung. Die Studie soll Nachrichtennutzung und Nachrichtenkompetenz im digitalen Zeitalter erforschen und fördern – und herausfinden, welche Ansprüche gerade junge Menschen an Medien haben. Das möchte ich als Anlass nehmen, um meine Meinung dazu zu äußern.
Es ist ein fester Bestandteil unserer demokratischen Gesellschaft, dass wir kontrovers diskutieren, auch um auf Missstände aufmerksam zu machen. Wir müssen die komplexen und herausfordernden kontroversen Themen, mit denen wir im Alltag konfrontiert sind, ansprechen und ein Forum haben, in dem wir Ideen entwickeln, Meinungen infrage stellen und kritisches Denkens entwickeln können. Es steht außer Frage, dass Internetplattformen und soziale Medien in der Kommunikation und im Meinungs- und Informationsaustausch für junge Menschen eine große Rolle spielen – das hat die Corona-Krise sogar noch forciert. Die digitalen Plattformen und Netzwerke bieten ihnen Möglichkeiten, sich in öffentliche Diskurse einzumischen und zu Wort zu melden. Dieser Trend sollte ernst genommen und als Chance erkannt werden und entsprechend sollten diese Plattformen und die kommunizierten Inhalte von der öffentlichen Gesellschaft wahrgenommen und zur Debatte gestellt werden (so lautet auch eine der Thesen der kürzlich ausgewerteten Studie über Nachrichtennutzung und Nachrichtenkompetenz im digitalen Zeitalter #UseTheNews).
Meiner Meinung nach bringen die neuen digitalen Medien den Vorteil mit sich, dass jeder mit einem digitalen Gerät ausgestattet erst mal seine ungefilterte Meinung äußern kann. Natürlich hat jede Plattform der sozialen Medien ihre eigenen Community Guidelines oder eine Netiquette, das sind Richtlinien in der Kommunikation, an die sich jeder halten muss. Diese können je nach Plattform Meinungen einschränken oder auch nur vor Hassrede usw. schützen. Dennoch herrscht im Netz Meinungsfreiheit, der Zugang ist hier wesentlich barrierefreier als z.B. in den öffentlich-rechtlichen Medien. Und auch, dass jede/r ohne große Anstrengungen eine gewisse Reichweite genießen kann, ist bei den sozialen Medien der Fall. Das Internet und Social Media ermöglichen eine zuvor nie dagewesene Interaktionsmöglichkeit dadurch, dass Nutzer*innen z. B. im Rahmen von Diskussionsbeiträgen auf Artikel reagieren können. Traditionelle Medien, wie das Fernsehen, Zeitungen oder Radio, erlauben höchstens die Beteiligung der Nutzer*innen über Leserbriefe, Anrufe oder Umfragen. Vor allem Jugendlichen haben die neuen Medien große Freiräume in der Kommunikation beschert und sie bieten ihnen Gelegenheiten zur Interaktion untereinander
Was bringt es für jugendrelevante Themen, wenn Jugendliche an Reichweite gewinnen? Jugendliche bzw. junge Erwachsene haben eine neuere Sicht auf die Gesellschaft, die für viele Erwachsene nicht nachvollziehbar ist und (manchmal auch) bleiben wird. Deshalb wird auf solchen Plattformen, die hauptsächlich von sehr jungen Menschen genutzt werden, über eben jene Themen gesprochen, die in der etablierten Gesellschaft der Erwachsenen zwar auch thematisiert werden, aber selten aus der Perspektive und Erfahrungswelt der Jugendlichen oder junger Erwachsener. Insbesondere beim Erleben der Corona-Krise und deren Maßnahmen wird die junge Zielgruppe in der öffentlichen Berichterstattung selten direkt gefragt. Auch das Leibniz Institut für Medienforschung bestätigt, dass Jugendlichen bei journalistischen Nachrichten oft der Bezug zur eigenen Lebensrealität fehle (https://leibniz-hbi.de/de/projekte).
Ich rede hier auch von Themen wie Alltagsrassismus, Gender-Identiät oder auch Feminismus. Diese Themen sind alle aktuell und essenziell, teils werden sie von etablierten Medien ignoriert oder sehr konservativ dargestellt. Einige Formate öffentlich-rechtlicher Medienanstalten sind meines Erachtens sehr christlich-konservativ geprägt und deshalb ein wenig undifferenziert sowie einseitig in ihrer Berichterstattung. Das liegt auch daran, dass diese Institutionen in einem System bestehen, was durch das Patriarchat, die christliche Religion und andere konservative Strukturen beeinflusst wird. Und genau hier kommt der springende Punkt: nämlich, dass die sozialen Medien auch ermöglichen, sich von den konservativen Strukturen zu distanzieren und somit frische Ansichten teilen und thematisieren. Trotz all dieser positiven Fakten muss auch die Schattenseite sozialer Medien beleuchtet werden. Diskriminierung, Hassrede, Verleumdung und Fake News vergiften leider so gut wie alle Social Media-Plattformen. Und es ist auch nicht immer so einfach zu entscheiden, ab wann Botschaften, die über die Plattform verbreitet werden, nicht mehr reine Meinungsäußerung, sondern justiziabel sind.
Zum Schluss noch meine gebündelte Meinung zum Thema: Wie wahrscheinlich in meinem Artikel bereits deutlich geworden ist, halte ich die Sozialen Medien für gut geeignet, um auf Missstände in der Gesellschaft aufmerksam zu machen, und auch, um etwas gegen diese zu unternehmen. Mein einziges Problem ist jedoch, dass – dadurch, das sozusagen jede/r Reichweite generieren kann, auch Radikalen eine Plattform geboten wird und somit das Ganze auch in die entgegengesetzte Richtung funktioniert. Auf der Plattform Tik Tok ist mir beispielsweise aufgefallen, dass Hass gegen die lgbtq+ community geschürt wird, oder Frauenfeindlichkeit sowie Männerhass. Durch die im Internet geltende Meinungs- und Zensurfreiheit ist trotz aller Vorteile nicht möglich, jede Art von Diskriminierung oder Fake News zu vermeiden. Das Internet und die sozialen Medien sind also ein zweischneidiges Schwert.
Mehr zum Thema Hassrede und Cybermobbing im Netz findest du auf unserem Beitrag: Was kann ich gegen Hassrede im Internet tun?
Kommentar von Dara Lange, QI.