Untypischer Traumberuf? Ausprobieren!

Laut einer Statistik von „Statista“ aus dem Jahr 2020, arbeiten in Technikberufen, vor allem in der Fahrzeugbranche, zu 70% mehr Männer als Frauen. Was ist nun zu tun, wenn man als Schülerin den eigenen Traumberuf in so einem Umfeld, also in einer typischen „Männerbranche“ sieht? Was ist zu tun, wenn Schülerinnen sich nicht sicher sind, ob sie bei der Berufswahl die gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen sollen, oder ihren Traumberuf eher in für Frauen „untypischen“ Bereichen sehen?
Die Antwort ist ziemlich einfach: Erstmal ein Praktikum absolvieren!

Dieses Jahr wurde ich als Schülerin der QI (elfter Jahrgang) wegen Corona-Einschränkungen leider nicht bei Unternehmen angenommen, die mir ein Kennenlernen meines Traumberufes als Designerin ermöglicht hätten. Aus diesem Grund habe ich mich schnell dazu entschieden, mein Praktikum bei meinem Familienunternehmen zu absolvieren. Felgenveredelungen und Autoreifenservice waren die Hauptaufgaben, die mir mein zweiwöchiges Wirtschaftspraktikum versprochen hatte.

 

Ein Praktikum bei Strahl Plus

Obwohl ich mich beruflich in diesem Umfeld nicht wirklich gesehen habe, dachte ich mir: „Ich beschäftige mich mit einem untypischem Frauenberuf, um die Erfahrung zu machen“.

Am ersten Tag wurde ich direkt in die nette Arbeitsgemeinschaft aufgenommen und habe gleich am Anfang sehr viele Informationen über das Unternehmen und meine Aufgaben erhalten. Die zwei Wochen meines Praktikums vergingen sehr schnell, und ich lernte sehr viel Neues über den Beruf.

Nun kann ich über meine eigene Erfahrung im Bereich der „Männerarbeit“ berichten und damit andere junge Schülerinnen über viele Sachen aufklären.

Als erstes möchte ich sagen, dass es sich auf jeden Fall lohnt, ein Praktikum in einer „für Frauen untypischen“ Branche zu absolvieren, wenn es eine interessiert. Zum Beispiel kann ich jetzt bezüglich meines Praktikums sagen, wie der Prozess einer Felgenveredelung abläuft und wie viel so ein Service kostet. Dies ist gut zu wissen, denn Frauen werden oft als „unwissend“ in Bezug auf Autos wahrgenommen und oft mit den damit verbundenen Kosten betragen, zum Beispiel durch überteuerten Kundendienst. Allein schon dafür lohnt es sich, ein Praktikum zu machen, weil die Erfahrungen einer zukünftig helfen können. Ich habe zusätzlich auch mitbekommen, wie schwer es ist, ein*e Betriebsleiter*in zu sein und ständig mit Kunden zu kommunizieren.

Trotz der Verurteilungen tapfer bleiben!

Natürlich gab es auch unbequeme Situationen, die mich als Schülerin betroffen haben: Die einen Kunden lächeln beim Anblick einer weiblichen Person und haben Geduld, wenn man seine Arbeit wegen mangelnder Erfahrung langsamer erledigt. Die anderen werden jedoch sehr skeptisch, wenn sie erfahren, dass ein Mädchen mithilft. Solche Sätze wie: „Ich hoffe, mir springt das Rad beim Autofahren nicht ab!“ können eine schon sehr verletzen.

Außerdem wurde ich direkt von der physischen, schweren Arbeit ausgeschlossen, da ich „zu schwach bin“, obwohl das gar nicht stimmt! Selbst meine eigene Familie traut mir weniger zu, als was ich in Wirklichkeit kann.

Deswegen ist es sehr wichtig, sich von den Nachteilen und Schwierigkeiten auf gar keinen Fall entmutigen zu lassen!

Hier sind ein paar Tipps, die in unbequemen Situationen helfen können:

– Unpassende und gemeine Kommentare lassen sich am besten durch Sprüche oder Witze entkräften. Es ist sinnvoll, sich diese vorher genau zu überlegen, um immer eine Antwort auf Kritik oder unpassende Kommentare zu haben.

– Genaue Überlegungen, aus welchem Grund man sich eine bestimmte Arbeit ausgewählt hat, können helfen, auch unangenehme Fragen zu beantworten.

– Moralische Vorbereitung auf Überraschung und Neugier der Kunden beim Sehen einer Schülerin verhindert peinliche Situationen und verleiht Sicherheit.

– Es ist außerdem nützlich, keine Angst zu haben, sich den Arbeitgebern zu widersetzen, wenn die eigene Kraft zu sehr unterschätzt wird, um die eigene Stärke zu beweisen.

– Immer sprechen, wenn man sich mit einer Aufgabe unwohl oder unzufrieden fühlt (z.B. weniger Putzen, mehr fachspezifische Aufgaben erledigen).

– Keine Angst haben, etwas nachzufragen: „Ich lerne, also darf ich Fragen stellen!“

– Ganz wichtig ist, selbstsicher zu wirken, auch wenn man innerlich Angst hat „durchzufallen“, entscheidet Selbstsicherheit sehr Vieles. Einer werden gleich mehr seriöse Aufgaben anvertraut, wenn man sagt: „Ich kann es!“.

Wenn man sich aber trotzdem unsicher ist, ob man ein untypisches Praktikum absolvieren möchte, dann gibt es an unserer Schule eine passende Veranstaltung: Den Girls‘- und Boys‘Day. Bei diesem Event bewirbt man sich bei einem Unternehmen für eine eher dem anderen Geschlecht zugeordnete Tätigkeit und verbringt dort nur einen Tag, um zu gucken, ob einem*r die Arbeit am Herzen liegt. Dabei versuchen die Schülerinnen und Schüler oft, sich untypische Berufe auszusuchen. Dieser Tag wird also auch zu einer perfekten Möglichkeit, sich in einem neuen Bereich auszuprobieren und zu gucken, ob sich auch ein Praktikum in dieser Branche lohnt.

Somit kann ich sagen: Traut euch, etwas Neues und Untypisches auszuprobieren!

 

Bericht von Milena Chilinski, QI