Lisa Schill (28) ist Klimaschutzbeauftragte der Stadt Glinde. Die Stelle wurde neu eingerichtet in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz. Im Interview berichtet sie, was sie plant, was wir für Umwelt und Klimaschutz – anknüpfend an unsere Projekte als Zukunftsschule – tun können, und warum sie optimistisch bleibt.
Was hat Sie bewegt, die neue Klimaschutzbeauftragte der Stadt Glinde zu werden?
Ich komme gebürtig aus Flensburg, bin aber durch und durch Nordlicht. In Kiel habe ich nämlich meinen Master gemacht und habe mich dabei auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit fokussiert. Nachdem ich meinen Abschluss gemacht habe, habe ich nach einem Job gesucht und bin auf die Stelle als Klimaschutzmanagerin in Glinde aufmerksam geworden.
Können Sie bestätigen, dass sich die aktuelle Krise auf die Umwelt auswirkt, wenn ja, wie?
Natürlich hat es Auswirkungen auf die Umwelt, da gerade am Anfang, wo wir alle im Lockdown saßen, viele auf Homeoffice umgestiegen sind. Dadurch sind viel weniger Autos auf den Straßen, was erstmal ein positiver Aspekt ist. Gleichzeitig muss man auch sagen, dass die ganzen Hygienevorschriften und die „To-Go-Kultur“, die sich gerade entwickelt, Unmengen von Müll produzieren. Gerade Einwegprodukte, wie Kaffeebecher und Verpackungen von Essen. Das gab es vorher auch, doch nicht in diesem Ausmaß. Dies ist aber im Moment auch nicht zu verhindern, da man die Kaffees und Restaurants unterstützen möchte und dies im Moment nur so geht.
Sind dies nachhaltige Entwicklungen?
Ich denke, dass dieser Digitalisierungsschub und der Wandel zum Homeoffice auf jeden Fall langfristige Auswirkungen auf die Art, wie wir arbeiten, haben werden. Viele haben gemerkt, dass man nicht für jedes Meeting in eine andere Stadt fliegen oder fahren muss und dass das auch über eine Videokonferenz funktioniert. Ich bin da überzeugt, dass es auch positive Aspekte hat. Ich hoffe und bin da auch sehr optimistisch, dass wir das mit dem Einweg-to go wieder in den Griff bekommen. Die meisten Menschen sehnen sich danach, sich wieder mit ihren Freunden und Verwandten in der Öffentlichkeit zu treffen und sich bewusst in die Kaffees und Restaurants zu setzen. Vor allem denke ich, dass den Menschen bewusster wird, was wirklich wichtig ist. Und zwar ist es nicht der Konsum, sondern es sind die sozialen Kontakte.
Gemeinsam eine Krise angehen – könnte man das auch auf‘s Klima anwenden?
Auf jeden Fall, das müssen wir auch. Was dabei total interessant ist, ist, dass beispielsweise bei der „Fridays for Future“ Bewegung mit dem Finger auf die älteren Menschen gezeigt wurde, da die das alles gar nicht mehr mitbekommen würden und somit den jungen Menschen die Zukunft nehmen würden. Jetzt in der Corona Krise ist es ja anders. Jetzt müssen die jungen Menschen Rücksicht auf die älteren Menschen nehmen, um sie zu schützen. Ich glaube, dass einem dadurch bewusst wird, dass es nur zusammen funktioniert.
Man hat jetzt auch gesehen, dass die Politik im Fall von Corona schnell Maßnahmen durchsetzen kann. Sie haben die Macht und die sollten sie auch für die Klimakrise einsetzen. Denn wenn wir die Coronakrise überstanden haben, wird die Klimakrise das nächste sein, worum wir uns kümmern müssen. Die Klimakrise ist schon die ganze Zeit da und darf nicht vergessen werden.
Meinen Sie, wir können aus der Coronakrise und den damit verbundenen Maßnahmen für‘s Klima lernen?
Ich denke, dass den Politiker*innen schon bewusst ist, dass, wenn sie Maßnahmen für die Probleme, die durch Corona entstanden sind, umsetzen wollen, müssen sie das auch klimagerecht tun. Die Gelder, die in die Wirtschaft fließen, sind an klimagerechte Aspekte gekoppelt. Deshalb denke ich schon, dass da ein Umdenken passiert. Ich denke, wir haben ein Bewusstsein dafür bekommen, dass es so nicht mehr funktioniert. Die Stimmen dafür sind einfach schon zu laut, als dass Politiker*innen diese ignorieren könnten.
Hat die Klimakrise für die Gesellschaft durch Corona eher an Bedeutung verloren?
Was die Gesellschaft angeht, ist es total schwierig, allgemeine Aussagen zu tätigen, da sie so vielfältig ist. Ich würde es mir nicht herausnehmen, einem Menschen, dessen Job und die Existenz auf der Kippe stehen, zu sagen, er/sie solle sich nur auf die Klimakrise konzentrieren. Man muss schauen, dass man alle mitnimmt, dort wo sie sind und die aktuellen Sorgen, Ängste und Probleme der Menschen berücksichtigten.
Was tut die Stadt Glinde bis jetzt, um unsere Umwelt zu schützen und was sind eventuelle Pläne für die Zukunft?
Vor meiner Zeit gab es schon Kampagnen, wie das Müllsammeln und STADTRADELN. (Diese Aktionen werden jährlich auch am Gymnasium Glinde organisiert und durchgeführt, Anmk.d.Red.). Dann hat Glinde entschieden, eine Klimaschutzstelle einzurichten. Das ist ein wichtiger Schritt. Nun wird sich im Rahmen einer Vollzeitstelle aktiv mit dem lokalen Klimaschutz auseinandersetzt. Meine Stelle ist für zwei Jahre befristet und wird vom Bund gefördert. Es ist vorgegeben, dass ich in dieser Zeit ein Klimaschutzkonzept erarbeite. Als erstes werde ich mir den Ist-Zustand anschauen, um zu erfahren, wo Glinde momentan steht. Danach überlegen wir gemeinsam, welche Klimaschutzziele wir als Stadt erreichen möchten. Dafür setzten wir uns in sogenannten Beteiligungsprozessen mit allen (der Verwaltung, privaten Bürger*innen und den verschiedenen Gewerben) zusammen. Da sind alle herzlich eingeladen, um ihre Ideen, Anregungen und Vorschläge mit uns zu teilen. Auch die Leser*innen sind herzlich willkommen. Daraus formulieren wir dann Maßnahmen, für das Klimakonzept, welches im letzten Schritt von den Politiker*innen beschlossen wird. Danach geht es in die aktive Umsetzung der Maßnahmen.
Gleichzeitig mit der Besetzung der Stelle bekam Glinde einen Ausschuss, der sich mit den Themen Umwelt- und Klimaschutz beschäftigt. Das ist natürlich super, da diese Themen in der Politik nochmal einen Schwerpunkt bekommen. Die Politiker*innen setzten sich einmal im Monat zusammen und diskutieren, und sie diskutieren wirklich über diese Themen. In der ersten Ausschusssitzung wurde auch schon entschieden, dass Glinde dem Klimabündnis beitreten soll. Es kam auch ein Antrag rein, dass Glinde sich als „Fair Trade Stadt“ bewerben soll. Um dieses Siegel zu bekommen, müssen wir einige Kriterien erfüllen und darauf arbeiten wir hin.
Planen Sie auch, auf Schulen zuzugehen und mit Schüler*innen Projekte zu initiieren? Wie wäre zum Beispiel die Anregung, am Schulzentrum Glinde mehr mit dem Rad zur Schule zu fahren und entsprechend sichere Fahrradstellplätze anzuschaffen?
Ich habe großes Interesse, mit Schüler*innen zusammenzuarbeiten. Ich freue mich auch sehr, wenn Schüler*innen auf mich zukommen, oder eigene Klimaschutz-Ideen vorschlagen. Es ist mir wichtig, dass Schüler*innen und Bürger*innen wissen, dass sie mich kontaktieren können und dürfen. Eine E-Mail ist immer gern gesehen (Lisa.Schill@glinde.de). Was ich zusätzlich empfehlen kann, ist direkt zu den Politiker*innen zu gehen, oder den Ausschuss zu besuchen und dort direkt nachfragen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Politiker*innen sehr nett und aufgeschlossen sind und sich über Anregungen freuen.
Was die Fahrradstellplätze angeht, haben wir dieses Jahr ein Radverkehrskonzept entwickelt, welches den Radverkehr im nächsten Jahr weiter nach vorne bringen soll.
Was können die Bürger*innen konkret tun?
Natürlich gibt es diese Standardempfehlungen, mehr mit dem Fahrrad zu fahren, lokal und saisonal einzukaufen und weniger Fleisch zu essen. Das sind Sachen, die immer gut sind. Mein wichtigster Tipp ist, dabei Spaß zu haben. Es bringt nichts, auf Krampf irgendetwas für die Umwelt zu tun, wenn es einen selbst total unglücklich macht. Es ist wichtig, dort anzufangen, wo es einem selbst möglich ist, etwas zu verändern und wo es einem leicht fällt. Jeder kleine Schritt zählt, und das sollte man sich regelmäßig bewusst machen. Vor allem sollte man sich engagieren und über den Klimaschutz sprechen.
Wenn man sich aktiv einsetzten möchte, kann man sich bei der Klimaschutzinitiative Sachsenwald, die eine Ortsgruppe in Glinde hat, melden. Oder beim BUND, oder ADFC…
Was ist denn Ihr Lieblingstransportmittel?
Definitiv das Fahrrad. Ich wohne in Hamburg und fahre, soweit die Jahreszeit und die Bedingungen es zulassen, mit dem Fahrrad. Im Moment bin ich auf die öffentlichen Verkehrsmittel umgestiegen, aber wenn ich hier in Glinde unterwegs bin, schnappe ich mir immer eines der Dienstfahrräder. Meistens ist man in der Stadt auch schneller mit dem Fahrrad als mit dem Auto unterwegs. Das Fahrrad ist auf jeden Fall mein Lieblings-Fortbewegungsmittel, sowohl beruflich, als auch privat.
Wie optimistisch schauen Sie in die Zukunft, wenn es um die weiteren Entwicklungen der Corona-Pandemie und die Auswirkungen auf die Umwelt geht?
Sehr optimistisch! Ich bin da guter Dinge. In Schleswig-Holstein gibt es über 100 Klimaschutzmanagern*innen. In diesem Bereich passiert sehr viel. Diese Menschen setzen sich aktiv dafür ein, dass die Umwelt und das Klima geschützt werden. Wenn Arbeitsplätze geschaffen werden und es Menschen so ermöglicht wird, in diesen Bereichen zu arbeiten, können sie auch den Klimaschutz an Corona-Bedingungen anpassen. Der Klimaschutz bekommt oft Gegenwind. Man braucht also kreative Lösungen. Wir lernen gerade uns an die neue Situation anzupassen. Es stimmt mich optimistisch, dass wir trotz dessen weiterhin aktiv im Klimaschutz sind. Die Menschen setzten sich weiterhin mit dem Klimaschutz auseinander und halten ihn für wichtig. Daran wird sich nichts ändern.
Interview: Janette Tyborski.