Seit Monaten leben wir im Pandemie-Modus: Flächendeckende Schließungen und Einschränkungen in vielen Bereichen des öffentlichen, kulturellen und privaten Lebens. Besonders betroffen ist davon auch das Fach Musik: Wie liefen der Musikunterricht und das Musizieren digital, und was für Perspektiven gibt es für Konzerte, gemeinsames Musizieren, Singen usw.? Dazu habe ich den Musiklehrer und faszinierten Musiker, Herrn Kindt, interviewt.
Wie läuft es mit den AGs derzeit – gibt es Online-Proben?
Die AG-Arbeit an unserer Schule liegt seit Monaten quasi brach. Unsere Musikgruppen – ob Chor, Orchester oder BigBand – finden vor allem klassen- und jahrgangsübergreifend statt. Zurzeit dürfen wir aber nur klassenweise musizieren, das ist für ein Gymnasium mit Musikzweig natürlich eine ziemliche Katastrophe!
Online-Proben gibt es nicht, das ist technisch nicht oder zumindest nicht kostenfrei realisierbar. Was digital halbwegs funktioniert, ist Einzelunterricht, so arbeiten aktuell z. B. die Musikschulen.
Der Musikunterricht konnte ja glücklicherweise stattfinden, wie lief dieser online ab?
Wir nutzen, wie alle anderen Fachbereiche auch, die Lernplattform itslearning und das Konferenztool BigBlueButton. Der größte Nachteil für das Fach Musik ist aber, dass das praktische Musikmachen wegfällt, wenn der Unterricht ausschließlich online stattfindet. Musik lebt vom Miteinander, von der Interaktion, dem kreativen Austausch und dem aufeinander Hören. Mittlerweile findet zum Glück auch wieder Musikunterricht in Präsenz statt, die Orientierungsstufe mit vollen, die Mittelstufe mit halben Klassen. Pandemie-bedingt sind jegliche Mischkurse aber ausgenommen, die Folge: kein Musik für die Oberstufe und kein WPU-Angebot der 8. Klasse im Schulgebäude.
Mit dem WPU-Kurs „Musizieren, Arrangieren, Komponieren“ arbeiten wir dennoch musikalisch auf Distanz, und zwar an einem aufwändigen Splitscreen-Video auf Grundlage eines Popsongs, in dem viele Einzelbeiträge zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden. Die künstlerischen und technischen Arbeiten lassen sich aber nicht alle im heimischen Wohnzimmer fertigstellen, wenn wir z. B. auf das Schulinstrumentarium zurückgreifen müssen.
Was vermissen Sie beim digitalen Musikunterricht?
Komplette Klassen, stringente Arbeitsphasen mit kreativen Inhalten, Sicherheit, Kontakt zu den Schüler*innen, Troubleshooting von Angesicht zu Angesicht … und natürlich die musikalische Arbeit. Mit den Kleingruppen ab Klasse 7 können wir derzeit wieder mit der Notationssoftware Musescore arbeiten, unsere Computerräume sind entsprechend ausgerüstet. Die Schüler*innen dürsten danach, sich musikalisch zu betätigen, darunter fällt auch das Musikmachen und Schreiben am PC.
Wo liegen die Schwierigkeiten beim digitalen Musikunterricht?
Textarbeit, Notenlehre, Biographiearbeit, Musikbeschreibung, Notentext-Analyse – es gibt viele Inhalte, die sich auch digital realisieren lassen. Auch kreative Arbeiten, wie Soundcollagen oder Podcasts sind machbar, in Einzelarbeit. Schwierig ist die Sicherung von Inhalten, jene Phasen, in denen wir versuchen, alle Beteiligten soweit es geht auf den gleichen Stand zu bringen, Probleme gemeinsam zu besprechen und zu klären, wo nachjustiert werden muss.
Dazu kommen technische Probleme: nicht jeder Schüler hat z. B. die Notationssoftware Musescore zu Hause auf dem Rechner, und wer mit dem Handy arbeitet, kann das Programm sowieso nicht nutzen. So lange also nicht alle Schüler*innen ein Leihgerät der gleichen Marke zur Verfügung haben, wird Distanzunterricht immer haken – nicht nur in Musik. Hier besteht dringend Nachholbedarf.
Gibt es Pläne zum weiteren Verlauf, auch ggf. für die Zeit, wenn es mehr Lockerungen geben wird?
Ein großer Gewinn ist, dass wir mit unseren Schulinstrumenten wieder gemeinsam vor Ort Musik machen können – ob mit Klassen oder mit AG-Gruppen. Das ist so wichtig für die Kinder, nicht nur vom Musikalischen her, auch die soziale Komponente spielt ja eine sehr große Rolle in der Musik.
Die Arbeit mit unserer MontagsCombo und mit unseren beiden Orchesterklassen 5a und 6a dürfen stattfinden, laut Landesverordnung müssen Blasinstrumente aber noch immer pausieren. Auch gesungen werden darf nicht. Unsere Pläne sind eher Wünsche, und die zielen darauf ab, dass wir wieder mit allen Ensembles gemeinsam auf Konzerte hinarbeiten können.
Schon erprobte Hygienekonzepte liegen in der Schublade, und ob Posaunisten und Tenöre, die mit mindestens 2,50 m Abstand zueinander musizieren, das Pandemie-Geschehen tatsächlich antreiben, ist wissenschaftlich nicht belegt. Diese vermeintlich einfache Lösung schadet unserer Kulturlandschaft, nicht nur in der Schule.
Vielen Dank an Herrn Kindt, für das ausführliche Interview!
Ich glaube, dass ich nicht nur meine Meinung, sondern auch die vieler anderer berücksichtigen würde, wenn ich sagen würde, dass wir uns alle auf Lockerungen freuen, soweit das Pandemiegeschehen dies zulässt.
Interview geführt von Sam Momeni Q1c