Schülerkommentar: Der Fall von Valieva – und eine fragliche Sportindustrie

Kommentar: Winterolympiade 2022 in China – die Reaktionen waren ohnehin schon hitzig. China ist ein Land, in dem Wintersport noch nie wirklich Thema war, und zumindest im Osten Chinas, wo auch die Hauptstadt Peking sich befindet, fällt eher selten Schnee. Vor allem aber steht China wegen des Verstoßes gegen Menschenrechte schon seit längerer Zeit zurecht im kritischen Fokus. Eigentlich sprach also vieles gegen China als Austragungsland. Wie kam das IOC schließlich dazu, die Winterolympiade dennoch dort zu veranstalten? Spielte hier vielleicht das Geld eine Rolle? Doch nicht nur in dieser Hinsicht war in Beijing dieses Jahr etwas faul: Stichwort Eiskunstlauf!

Den Namen Kamila Valieva kennt jeder, der im Februar dieses Jahres die Nachrichten verfolgt hat. Das 15-jährige Mädchen, welches als Eisprinzessin in die Geschichte hätte eingehen können, musste durch gleich mehrere „Fälle“ leiden. Da wären die Stürze während ihrer Kür, die sie letztendlich um eine Medaille gebracht haben. Nach dem Kurzprogramm im Einzelwettkampf war Kamila noch auf Goldmedaillenkurs. Umso bitterer wirkte der vierte Platz für sie. Die Schuld an ihrer fehlerhaften Leistung liegt dabei wohl am wenigsten bei ihr selbst. Denn vor dem Fall aufs Eis musste sie sich mit einem weiteren beschäftigen: Ihrem Doping-Fall. Dieser brachte sie offensichtlich aus dem Gleichgewicht.

Dezember 2021: Die russischen Meisterschaften im Eiskunstlauf, an denen Kamila Valieva natürlich teilnimmt, finden statt. Alle Sportler und Sportlerinnen werden auf Dopingmittel getestet, Kamila eingeschlossen. Doch die Ergebnisse der Proben treffen erst am 8. Februar dieses Jahres, also zur Zeit der Olympischen Winterspiele, ein. Laut der New York Times werden in Valievas Probe mehrere Mittel gefunden, die man zur Behandlung von Herzproblemen nutzt, unter anderem das verbotene Trimetazidin, durch welches entscheidende Vorteile im Sport ergattert werden können. Dieses Ergebnis kommt erst nach dem Teamwettbewerb des Eiskunstlaufens heraus, in dem Kamila ihrer Mannschaft noch zum Sieg verhilft. Gesperrt wurde sie wegen der Erklärung, Kamila habe aus dem Becher ihres Opas getrunken und damit die Herzmedizin aufgenommen, dann aber doch nicht. Da hat sie wohl noch Glück gehabt.

Glück kann man das im Nachhinein doch nicht mehr nennen, denn eine Sperrung hätte ihr den öffentlichen Druck und den nicht auszuhaltenden Stress ersparen können. Da dies nicht erfolgt ist, hoffte man doch wenigstens auf die Erlösung durch verständnisvolle Eltern oder eine nachsichtige Trainerin, obwohl man Nachsicht in der russischen Sportindustrie wohl kaum erwarten konnte. Besonders nicht von Eteri Tutberidze, Kamilas Trainerin. Die Zeitung „Die Welt“ und weitere Medien bezeichnen sie nicht ohne Grund als herzlos und ohne Mitgefühl. Ihr Verhalten nach Valievas Kür spricht für sich.

Was ist aus dem ursprünglich friedvollen, unmanipulierten und reinen Sportgeist geworden, dass 15-Jährige Mädchen gedoped werden, öffentlicher Demütigung ausgesetzt werden und anschließend nicht einmal mit einer tröstenden Umarmung rechnen dürfen? Wem kann man dafür die Schuld geben? Ich glaube kaum, dass Kamila Valieva selbst auf die Idee gekommen ist, illegale Medikamente einzunehmen. Das Problem muss an der Wurzel gepackt werden, denn Sport wird aktuell von Geld regiert. Das sieht man an der Wahl des Austragungsortes und der körperlichen und psychischen Ausbeutung unserer Zukunftssportler und Sportlerinnen. Ob Kamila Valieva es schafft, sich gegen die russische Sportindustrie durchzusetzen, wird man wohl erst bei der nächsten Olympiade sehen.

Ein Kommentar von Sophia Antkowiak