Am 27. August 2018 beginnt für die sechsten Klassen unserer Schule die alljährliche Klassenfahrt nach Sylt. Aber nicht nur sie haben außerschulische Pläne für diese Woche. Zusammen mit zwei weiteren Oberstufenschülern darf ich an einem Wirtschaftsplanspiel, das bei Amandus Kahl stattfindet und über den VSW (Verband und Serviceorganisation der Wirtschaftsregionen Holstein und Hamburg e.V) organisiert wird, teilnehmen. 15 andere Schüler des Wentorfer Gymnasiums und der Sachsenwaldschule sind ebenfalls dabei, um Einblicke in die komplexe Welt der Zahlen, die ein Unternehmen definieren, zu erlangen.
Als wir am Montag an dem Standpunkt von Amandus Kahl im Reinbeker Industriegebiet ankommen, ist noch alles ruhig. Unsere Spielleiterin begrüßt uns und wir werden den Vormittag über in das Planspiel eingeführt. Drei Aktiengesellschaften, die seit zehn Jahren existieren, das gleiche Produkt verkaufen und gleiche Anteile am Markt haben – das ist unsere Spielgrundlage. Wir bilden jeweils zu sechst einen Vorstand eines dieser Produktionsunternehmen. Und unser Produkt? – Regenjacken.
In verschiedenen Informationsblöcken erhalten wir die Woche über nützliches Wissen über Unternehmen und mehrere Themen, mit denen diese sich auseinandersetzen müssen. Die Woche ist gut durchgeplant. Wir beginnen täglich um acht Uhr und spätestens um halb vier ist nachmittags wieder Schluss. Je nachdem, wie schnell wir unsere Entscheidungen für die laufende Spielrunde festlegen.
Frau Schediwy, unsere Spielleiterin, ist am ersten Tag zugleich Referentin zu dem Thema „Unternehmen und Umwelt“, was nicht (nur) die ökologischen Rahmenbedingungen meint, sondern alle Faktoren, die Unternehmen von außen beeinflussen. Anschließend sehen wir uns die fiktiven Unternehmensberichte des zehnten Geschäftsjahres an; wie viel liquides Vermögen hat das Unternehmen im letzten Jahr erwirtschaftet?
Während wir zunehmend gespannt sind auf die erste Spielrunde, sollen wir uns schon einmal in unseren Vorstandsgruppen einen Namen für unsere AG überlegen und die einzelnen Vorstandsaufgaben verteilen. Unsere Unternehmen heißen die Rainy AG, die RainDrop AG und die Grant Weather AG. Wir sind jetzt Vorstandsvorsitzende, Vorstände für innerbetriebliche Prozesse, für die Kommunikation, für das Marketing, für die Finanzen oder für das Personal.
Nach der Mittagspause in der Cafeteria des Unternehmens starten wir in unseren Gruppen in die erste Spielrunde. Wir entscheiden, zu welchem Preis wir unsere Regenjacken verkaufen, wie viele wir wohl absetzen werden und demnach auch, wie viele wir wohl produzieren müssen, um möglichst gut wirtschaften zu können. Wie können wir unsere Produktionsarbeiter am besten auslasten?
Wir sind uns etwas unsicher, ob alles so aufgeht, wie wir uns das vorstellen. Es gibt so viele Kosten zu berücksichtigen. Am Ende geben wir unsere Entscheidungen dennoch mit guter Hoffnung bei der Spielleiterin ab und hoffen auf ein erfolgreiches Jahr. Bis zum nächsten Tag rechnet der Computer aus, wie viele Jacken wir verkaufen konnten und wie viel Gewinn (oder Verlust) wir gemacht haben.
Am Dienstag ist der erste Vortrag über „Recht und Personalwesen“ moderiert von einer weiteren Mitarbeiterin des VSW. Wir lernen, dass Mitarbeiter wichtige Faktoren für den Erfolg eines Unternehmens sind und inwiefern die Mitarbeiter vor Kündigungen geschützt sind. Danach klärt uns Herr Weber von der Rheinmetall Waffe Munition GmbH über Preise und die Preiskalkulation auf; welche Transaktionen und Aufwände verbergen sich hinter dem Preis eines Produktes? Wie errechnet man einen gewinnbringenden Preis? Oder doch eher einen fairen?
Die Spannung steigt für uns in der Mittagspause, denn wir alle wissen, dass wir danach die Ergebnisse unseres ersten Geschäftsjahres besprechen werden.
Die Ergebnisse fallen gemischt aus. Ein Unternehmen hat ausversehen durch eine falsche Eintragung in ihren Plan größere Kosten verursacht, als geplant. Ansonsten lief die erste Runde soweit gut und wir setzten uns erneut zusammen. Wie optimieren wir unsere Strategie? Was ändern wir? In dieser Runde haben sich die Grundbedingungen etwas verändert. Die Kosten für Entsorgung sind gestiegen. Während wir uns überlegen, wie unsere Unternehmen sich im nächsten Jahr aufstellen, erhalten wir die Information, dass ein koreanischer Billiganbieter auf den deutschen Markt drängt. Außerdem können wir in diesem Jahr neue Maschinen kaufen, die eine höhere Produktivität versprechen.
Auch der Mittwoch startet mit zwei Vorträgen am Vormittag. Herr Rabius von der Emile Nölting GmbH & Co. KG beginnt mit dem Thema „Aktien und Börse“ und Frau Geissler bringt uns das „Marketing“ und den „Absatz“ näher. Uns wird etwas deutlicher, wie sich Unternehmen bei dem Staat oder an der Börse Geldmittel beschaffen können und worauf alles geachtet werden muss, wenn ein Unternehmen ein Produkt einführt und verkaufen möchte. Das Marketing ist sehr vielschichtig; wir lernen die „vier Ps“ kennen (Product, Produktpolitik; Price, Preispolitik; Placement, Absatzmarkt und Vertriebskanal; Promotion, die Werbung). Marketing sei dazu da, den Kunden zufrieden zu stellen, betont Frau Geissler am Ende.
Die Besprechung der zweiten und die dritte Spielrunde selber erfolgen erneut nach dem Mittagessen. In dem vergangenen Geschäftsjahr hat das Unternehmen, in dem ich Vorstandsmitglied bin, Verluste gemacht. Das bringt uns in eine missliche Lage, denn wir müssen bei unseren Investitionen selbstverständlich Abstriche machen. Zum Beispiel ist der Absatz auf ausländischen Märkten jetzt möglich, was wir uns in unserer instabilen finanziellen Lage aber nicht trauen, zu nutzen :D. In dieser Runde ist es besonders schön, dass es sich nur um ein Planspiel handelt.
Am Donnerstag sollen wir dann auf der Grundlage des Vortrags zu „Marketing und Absatz“ ein Marketingkonzept erstellen. Wir dürfen frei entscheiden, welche Werbungsmedien wir wählen, ob wir zum Beispiel einen Werbespot drehen oder Plakate entwerfen. Der Preis unseres Produkts soll begründet werden und dazu passend der Vertriebskanal und die Zielgruppe dargestellt werden – ein ganzes, umfassendes Konzept eben. Eine Präsentation des Konzepts vor den anderen ist natürlich auch geplant und die beste Gruppe gewinnt einen Hauptpreis. Es ist sehr wertvoll, einmal ein solches Konzept durchdenken zu müssen, auch wenn wir natürlich alles stark vereinfacht darstellen.
Die Ergebnisse nach dem Mittagessen läuten unsere finale Spielrunde ein. Mit dem Gedanken an die Hauptversammlung im Hinterkopf planen wir alle unser letztes Geschäftsjahr, das entweder zum Optimum des Erfolgs führen soll (Gruppe 3), zum beständigen Fortführen guter Ergebnisse (Gruppe 1) oder auch zum panischen Retten in den Bereich der schwarzen Zahlen (meine Gruppe).
Bevor wir am Freitag dann unsere Ergebnisse bekommen, werden wir bei Amandus Kahl über die Anlage geführt. Die ganzen Maschinen und die darin steckende Technik sind beeindruckend. Wir dürfen Fragen stellen und die verschiedensten Stadien des Maschinenbaus ansehen.
Anschließend erhalten wir die Ergebnisse des letzten Geschäftsjahres und Zeit, den Vortrag für die Hauptversammlung vorzubereiten. Hier gilt es, die gesamten vier Jahre, die wir simuliert haben, unseren fiktiven Aktionären vorzustellen, die in Wirklichkeit die Lehrer für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik jeder unserer drei Schulen, einige Auszubildende und Mitarbeiter des Unternehmens Amandus Kahl sind. Jetzt haben wir Einblicke in die Strategien der anderen Gruppen. Wann sie anders gehandelt haben als wir und wann gleich.
Danach ist die Woche auch schon wieder vorbei. Es ist unglaublich erleichternd für mich persönlich, diese Verantwortung wieder abzugeben, auch wenn es nur ein Spiel gewesen ist. Am besten haben mir die Informationen gefallen, die wir bekommen haben. Wir haben uns intensiver mit der Betriebswirtschaft beschäftigt, als das in der Schule möglich ist. Auch die Arbeit mit anderen Schulen hat mir sehr gefallen. Solche interaktiven Projekte sollten wir öfter ermöglichen, finde ich. Weil man so schon mal „über den Tellerrand schaut“ und neue Bekanntschaften macht. Innerhalb der Woche hätten die Gruppendiskussionsphasen meiner Meinung nach auch mehr sein können. So könnte man die anderen Jugendlichen noch etwas besser kennenlernen und die Zusammenarbeit verbessern. Insgesamt ist es aber eine tolle Erfahrung und Weiterbildung gewesen, die ich jedem empfehlen kann, der sich ein bisschen für die Abläufe der Wirtschaft interessiert.
– Fiona Boeckmann
„Ich persönlich hatte in der Woche bei Amandus Kahl sehr viel Spaß. Ich habe viel gelernt, habe neue Leute kennengelernt und konnte mein Wissen anwenden.
Am besten haben mir immer die Spielrunden am Nachmittag gefallen, wo ich mit meiner Gruppe diskutieren konnte, welche Investitionen wir tätigen wollen und wie wir unser Unternehmen weiterhin führen wollen. Ich hätte sogar gerne noch weitergespielt, um das Unternehmen immer weiter zu verbessern und den höchstmöglichen Gewinn zu erwirtschaften.
Wenn man also ein grundsätzliches Interesse an Wirtschaft und Unternehmensführung hat, kann man mit dem WIWAG-Planspiel nichts falsch machen und ist hoffentlich auf das spätere Berufsleben besser vorbereitet.“
– Henning Wiese