Wenn Wörter viral gehen – Corona-Wort­neuschöpfungen

Durch die Corona-Pandemie hat sich der Alltag der Menschen stark verändert. Tätigkeiten, die sich kurz vor dem Ausbruch noch absolut normal angefühlt haben, sind plötzlich nicht mehr möglich – zumindest nicht mehr so wie „damals“. Aber nicht nur die Tagesabläufe wurden neu geprägt und durcheinander „gehustet“, auch unsere Alltagssprache ist von der Pandemie infiziert worden.
Person mit Maske
Von der Community Mask zum OP-Schutz – ohne Maske läuft in Zeiten von Corona nicht viel.

Inzwischen gingen ca. 1.200 neue deutsche Wörter, die im Zusammenhang mit der Pandemie gekeimt haben, viral. So einen rasanten Zuwachs an neuen Wörtern in so kurzer Zeit gab es noch nie zuvor (Quelle: Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim). Einige Beispiele sind „Alltagsmaske“, „AHA-Regeln“ oder „Spuckschutzhaube“. Außerdem: Wer hätte gedacht, dass es mal eine „Einkaufwagenpflicht“ geben oder dass der „Fußgruß“ den altbewährten kräftigen Händedruck ablösen würde?

Ein Grund für das Ganze ist die grammatikalische Möglichkeit in der deutschen Sprache, Nomen „beliebig“ zusammensetzen zu können. So kann an ein schon bekanntes Nomen zum Beispiel das Wort „Corona“ einfach angehängt werden und schon ist ein neues Wort, wie beispielsweise die „Coronafashion“ oder eine „Coronapetze“ entstanden.
Eine weitere Art von Worten, die seit der Corona-Pandemie viele Deutsche verwenden, sind aus dem Englischen entlehnte Begriffe – etwa Social Distancing, Homeschooling, Superspreader oder Shutdown. Der Anglizismus des Jahres 2020 ist wenig überraschend das Wort „Lockdown“. Wobei gerade die Entlehnung aus dem Englischen die Bedeutungen verzerren kann: Einige Menschen haben kritisiert, dass „soziale Distanzierung“ ja gar nicht beschreibt, was erreicht werden sollte, nämlich Abstand halten, aber ohne sich sozial voneinander zu distanzieren. Ebenso beschreiben die Begriffe Fernunterricht oder Online-Unterricht die Situation nochmal treffender als „Homeschooling“, was nämlich wörtlich übersetzt bedeutet, dass man einfach ganz zu Hause unterrichtet wird (z.B. von Privatlehrern oder Eltern).

Welche der neuen Begriffe sich am Ende aber tatsächlich auch in den Duden einnisten werden, ist natürlich noch nicht klar. Damit ein Begriff dies schafft, muss er zunächst seinen Weg in verschiedene Quellen finden und an Bedeutung in der Sprache gewinnen. Wenn er dann die Probezeit im Online-Duden bestanden hat, kann er in der gedruckten Fassung des Dudens einen Platz ergattern.

Ich finde diese Wandlung der Sprache nicht sehr verwunderlich. Wenn neue Dinge passieren, dann reagieren die Menschen darauf – unter anderem eben auch mit Sprache. Neue Situationen, Handlungen oder Abläufe brauchen neue Namen, damit jede Person weiß, was gemeint ist. Die meisten Wandlungen entstehen ganz natürlich und unbewusst. Eine Person fängt damit an und plötzlich machen es viele so. Warum sollte man etwas unnötig kompliziert erklären, wenn man auch einfach einen neuen Begriff dafür entwickeln kann. Daran kann man wieder einmal sehen, dass Sprache unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst. Je nachdem, wie die Dinge benannt werden, so werden sie auch aufgefasst.

Weltkugel als Virus
Die Welt verändert sich unter dem Einfluss einer Pandemie sehr – auch in sprachlich-begrifflicher Hinsicht.

Dementsprechend gibt es ernste und sachliche Wörter – wie „Distanzunterricht“ – aber auch humorvolle, spöttische Ausdrücke wie „Covidiot“ oder „Virusdetektiv“. Klar ist, dass die gewählten Begriffe eine gewisse vorgeprägte Wahrnehmung beeinflussen, so suggeriert eine  „Welle“ natürlich etwas Überwältigendes, schwer Kontrollierbares (im Vergleich zu „steigenden Inzidenzen“ oder „erhöhtem Infektionsgeschehen“), die „Community Mask“ (Mundschutz aus Stoff) hingegen klang geradezu freundlich verbindlich. Die WHO prägte sogar den neuen Begriff „Infodemie“ – eine Wortverschmelzung aus Information und Pandemie – und benannte damit Anfang Februar die Sorge über eine Überforderung der Öffentlichkeit durch zu viele Corona-Nachrichten.

Wir können gespannt bleiben, was sich unsere Anderthalbmetergesellschaft sprachlich in Zukunft in Bezug auf Corona noch so einfallen lassen wird.

von Katharina Blonsky