Au revoir, aber nicht adieu – Frau Temme im Interview

Nach vielen Jahren voller Engagement, Begeisterung und Herzlichkeit verabschiedet sich Frau Temme – Französischlehrerin und seit 2018 Orientierungsstufenleiterin am Gymnasium Glinde – in den wohlverdienten Ruhestand. Wir durften mit ihr sprechen – über ihren Weg aus Frankreich nach Deutschland, ihre Tätigkeit als Lehrerin für Französisch, Deutsch und Kunst, schöne Erinnerungen und ihre ganz persönliche Lebensphilosophie.
Carole Temme

Frau Temme, gab es einen besonderen Moment, der Sie dazu inspiriert hat, Lehrerin zu werden?

„Ja, ich wollte schon immer Lehrerin sein – das war für mich einfach toll. Der Gedanke, mit jungen Menschen zu arbeiten, sie zu begleiten und zu motivieren, hat mich von Anfang an begeistert.“

Sie stammen aus Frankreich – was hat Sie damals nach Deutschland geführt?

„Nach meinem Studium kam ich durch ein Austauschprogramm nach Deutschland – zunächst nur für ein Jahr. Aber ich habe mich schnell zuhause gefühlt, vor allem durch die Schule, die Schülerinnen und Schüler und die Kolleginnen und Kollegen. Irgendwann wusste ich: „Ich möchte bleiben..“
Sprechen Sie Französisch ?

Welche Unterschiede haben Sie zwischen dem französischen und dem deutschen Schulsystem wahrgenommen?

„Es gibt einige interessante Unterschiede: In Frankreich findet der Unterricht meist ganztägig statt, es ist dadurch manchmal schwierig, Freizeitaktivitäten in seinen persönlichen Stundenplan zu integrieren. In Deutschland hingegen endet der Unterricht oft schon am Vormittag, und Nachmittagsangebote sind freiwillig. Auch die Raumverteilung unterscheidet sich: In Frankreich haben Lehrkräfte fast immer ihr eigenes Klassenzimmer, und die Schüler:innen wechseln für jedes Fach den Raum. In Deutschland, wie in Glinde zum Beispiel, bleiben die Klassen meist in ihrem festen Raum, und die Lehrer:innen ziehen von Klasse zu Klasse. Beim Unterrichtsstil ist Frankreich stärker vom Frontalunterricht geprägt: Der Stoff wird von der Lehrkraft vermittelt, ohne viele mündliche Abfragen, und Noten entstehen fast ausschließlich durch Klassenarbeiten. In Deutschland dagegen wird viel Wert auf mündliche Mitarbeit, Gruppenarbeit und projektorientierte Aufgaben gelegt, ergänzt durch regelmäßige Tests und Klassenarbeiten. Und schließlich die Organisation von Ausflügen: In Frankreich übernimmt meist die Verwaltung die Planung von Exkursionen und Fahrten, während in Deutschland die einzelnen Lehrer:innen viel Eigeninitiative zeigen und Ausflüge selbstständig organisieren. Diese Unterschiede haben meinen Blick auf Schule und Unterricht sehr geprägt.“

Erstellt von Olivia Brandt

Was hat Ihnen an Ihrer Rolle als Orientierungsstufenleiterin besonders gefallen?

„Die Arbeit mit den jüngeren Jahrgängen war für mich immer etwas ganz Besonderes. Ihre Motivation und Offenheit haben mich selbst oft angesteckt. Auch der enge Austausch mit Eltern und Kolleg:innen war sehr bereichernd.“

Gibt es ein Erlebnis mit Schülerinnen oder Schülern, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

„Viele! Besonders bewegend waren für mich immer die Momente, in denen Schüler:innen über sich hinausgewachsen sind – wenn jemand mit Mut und Fleiß etwas geschafft hat, das er oder sie sich selbst nicht zugetraut hätte.“

 

Wie haben Sie die Entwicklung der Schule und des Unterrichts in den letzten Jahren erlebt?

„Es hat sich vieles verändert: Digitalisierung, neue Unterrichtsmethoden, moderne Klassenräume. Aber eines ist geblieben – der persönliche Kontakt. Das Miteinander in unserer Schulgemeinschaft war und ist etwas ganz Besonderes.“

 

Der Ruhestand steht bevor – empfinden Sie eher Vorfreude oder Wehmut?

„Beides. Ich freue mich auf neue Freiheiten, auf Reisen – vor allem nach Frankreich – und auf mehr Zeit mit meiner Familie. Aber ich werde die Schule, den Austausch und die tägliche Arbeit mit jungen Menschen sehr vermissen.“

 

Was würden Sie jungen Lehrerinnen und Lehrern mit auf den Weg geben?

„Bleiben Sie positiv – es gibt für fast jedes Problem eine Lösung. Und vertrauen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern. Es geht nicht nur um Noten, sondern darum, Menschen in ihrer Entwicklung zu begleiten.“

 

Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft unserer Schule frei hätten – welcher wäre das?

„Dass das Gymnasium Glinde ein Ort der Toleranz und des Miteinanders bleibt – unabhängig von Herkunft, Religion oder Persönlichkeit. Mensch ist Mensch.

Zum Abschluss: Gibt es eine französische Lebensweisheit, die Sie uns mitgeben möchten?

„Ja, eine meiner liebsten: Souriez à la vie et la vie vous sourira. – Lächelt dem Leben zu, und das Leben lächelt zurück.“

Lebensmotto von Frau Temme.

Merci, Frau Temme, für Ihre Zeit, Ihre Leidenschaft und Ihre unvergessliche Art, den Schulalltag zu bereichern. Au revoir – aber ganz sicher nicht adieu.
„Souriez à la vie…“
Interview von Vincent Dierke Ec